Ist Bio wirklich besser und wenn ja, warum?

Ist Bio wirklich besser und wenn ja, warum?

Wer es sich leisten kann, darf und sollte auf biologisch erzeugte Lebensmittel umsteigen. Dies ist die bessere Alternative zu herkömmlicher industrieller Landwirtschaft und Massentierhaltung für Mensch, Planet, und auch für die Gesundheit. Erhalte hier einen kleinen Überblick über die Vorteile von Bio-Nahrung und warum es in Zukunft massentauglich werden muss.

Der heutige Artikel ist ein Gastbeitrag von Martin Auerswald von SchnellEinfachGesund. Martin ist studierter Biochemiker und Autor und gibt auf SchnellEinfachGesund schnelle und einfache Gesundheitstipps, die jeder umsetzen kann. Eine gesunde, naturbelassene Ernährung ist dabei sehr wichtig.

Bio-Nahrung 2.0 – Die Grundlagen

Bio, oder wie es noch unsere Großeltern nannten, „normal“. Denn diese Art von Nahrung ist normal, so wie es Mensch und Natur erdacht und seit Jahrtausenden praktiziert haben. Die Tiere stehen auf der Weide, sind an der frischen Luft, haben viel Freilauf. Als „Nahrungsergänzung“ erhalten Sie Heu und das, was vom Anbau von Getreide und Co. übrig bleibt.

Getreide, Obst, Gemüse und andere Feldfrüchte wachsen in keiner reinen Monokultur, müssen nicht wie Pink Lady Äpfel alle haargenau gleich aussehen und gleich geformt sein, sie werden nicht gespritzt, im Sommer freuen sich die Bienen über die Arbeit, und nach der Ernte müssen sie weder bestrahlt noch mit Wachs überzogen werden.

Das ist Bio, das ist normal, so wie es sein sollte. So wie es vor Industrialisierung der Landwirtschaft der Fall war. Dahinter verbirgt sich keine Romantik, sondern Tatsachen. Bio erhält nun nach und nach einen Aufschwung, Konsumenten werden darauf aufmerksam, und auch die Wissenschaft erkennt, dass diese Art zu essen deutlich nachhaltiger für den Planeten, besser für die lokale Landwirtschaft, und besser für die Gesundheit ist.

In den kommenden Abschnitten möchte ich gerne die Vor- und Nachteile von Bio-Nahrungsmitteln aufzählen und abwägen, und einen kurzen Überblick geben. Dabei unterscheide ich zwischen pflanzlicher und tierischer Bio-Nahrung.

Was gegen tierische Nahrung aus Massentierhaltung spricht

Der israelische Geschichtsprofessor und Star-Autor Yuval Noah Harari schreibt in den ersten Kapiteln seines Buches „Homo Deus“, die Massentierhaltung ist eines der größten Verbrechen der Menschheit in der Gegenwart. Das unsägliche Leid, das der Mensch den Milliarden von Tieren jeden Tag antut. Der Endverbraucher bekommt damit davon gar nichts mit, er weiß gar nicht, wie es im Inneren eines herkömmlichen Stalls aussieht, wie es den Tieren geht, wie die Tiere behandelt werden. Besonders am Ende des kurzen Tierlebens, der Transport, die Tötung, Schlachtung und Ausnehmung, das alles ist hoch industrialisiert. Fleisch am Fließband. Die Fleischindustrie versucht ihr Möglichstes, damit es so bleibt und der Konsument das nicht mitbekommt – um seine Kaufkraft nicht zu schmälern.

Ethik

Es sind zunächst einmal die ethischen Probleme, die bei Massentierhaltung ans Tageslicht kommen. Wenn die Tiere dicht an dicht gezwängt ihr komplettes Leben in einem abgedunkelten und abgeschotteten Stall verbringen, mit Kraftfutter gemästet werden, mit Antibiotika und Wachstumshormonen behandelt. Kein Auslauf, kein Platz, kein Leben.

Auch wenn der Endverbraucher es nicht mitbekommt oder es gar nicht mitbekommen will: Beim Kauf eines jeden Produktes aus Massentierhaltung unterstützen wir sie unbeabsichtigt mit. Natürlich muss die Politik hier besser eingreifen, aber ein Stück weit haben wir es selber in der Hand.

Umwelt und nachhaltige Landwirtschaft

Zudem der ökologische Aspekt: Die große Menge und der Aufwand an Material machen die Massentierhaltung zu einem der größten CO2-Produzenten auf dem Planeten. Nicht das durch die Kühe ausgestoßene Methan ist dafür hauptverantwortlich, es ist die Betrachtung der Massentierhaltung insgesamt, die große Menge an Tieren und die Ressourcen, die sie verbraucht.

Da die Politik aus Gründen der Ressourcenknappheit, Ethik und Umwelt in Zukunft mehr gegen den Klimawandel unternehmen muss und wird, wird die Massentierhaltung ein Problem bekommen und die Produktpreise zwangsläufig nach oben korrigieren.

Wer hingegen sein Fleisch, seine Butter, seine Milch und seine Eier aus artgerechter Haltung bezieht, der unterstützt Bauern, die eine natürliche Haltung für ihre Tiere umsetzen, ihre Tiere nicht mästen, nicht übermäßig stressen. Der CO2-Ausstoß ist weitaus geringer, die Tiere sind „glücklicher“, und das Produkt am Ende ist ein ganz anderes:

Warum Bioprodukte eine andere Nährstoffzusammensetzung haben

Es geistern immer mal Studien umher die behaupten, dass „Bio gar nicht gesünder sei“. Weil genauso viel von Vitamin X oder Nährstoff Y in beiden Produkten enthalten sei. Aber es wird nie das große Ganze betrachtet, denn es gibt sehr wohl Unterschiede, die man sehr einfach nachvollziehen kann.

Fangen wir bei tierischen Bio-Produkten an:

Es beginnt mit Stress: Stress wirkt sich immer auf die Biochemie des Organismus‘ aus. Das ist bei Menschen so (Stress führt zu allerlei chronischen Erkrankungen und Übergewicht), und es ist auch bei Tieren so. Ein gestresstes Tier weist am Ende eine ganz andere Zusammensetzung der vielen Nährstoffe und Fettsäuren auf, als ein nicht gestresstes Tier von der Weide.

Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren: Während ein Rindersteak aus Massentierhaltung ein Verhältnis von Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3-Fettsäuren von 15:1 aufweist, so ist es bei einem vergleichbaren Rindersteak aus artgerechter Haltung ein Verhältnis von 1,5:1. Also ein durchaus signifikanter Unterschied. Das Verhältnis entspricht im Übrigen dem Verhältnis von Wildfleisch.

Die Tiere neigen viel weniger zu Entzündungen, das Fleisch ist deutlich weniger entzündlich (via Omega-6-Fettsäuren). Es ist „normal“. Pluspunkt: die Menge an Omega-3-Fettsäuren über artgerechte Tierprodukte kommt teilweise an dem von Meeresfrüchten heran.

Vitamin K2: Dieses Vitamin wird im Pansen von Wiederkäuern (Rinder, Schafe) von Bakterien produziert. Aber nur, wenn sich diese Tiere artgerecht ernähren, also auf der Weide stehen und Gras und Kräuter essen. Dann findet sich auch Vitamin K2 im Endprodukt. Vitamin K2 ist ein wichtiges Vitamin für die Herz-Kreislauf-Gesundheit, die Knochen, die Blutgerinnung und die Bildung von Sexualhormonen.

Antibiotika und Wachstumshormone: Es finden sich keinerlei Rückstände von Antibiotika und Wachstumshormonen in tierischen Produkten aus artgerechter Haltung. Auch Antibiotika in geringsten Mengen, die sich am Ende in unserer Milch und in unserem Fleisch wiederfinden, wirken sich auf unseren Stoffwechsel und unsere Darmgesundheit aus. Gering dosierte Antibiotika, längerfristig und jeden Tag ein bisschen – es sind diese Kleinigkeiten, die sich im Laufe der Jahre aufsummieren, die Darmgesundheit behindern, Darminfekte begünstigen, und die Entstehung multiresistenter Keime begünstigen.

Apropos multiresistenten Keime: In der Massentierhaltung werden Antibiotika zur Vorbeugung von Infektionen, und als Wachstumsfaktoren eingesetzt. Jeder Mediziner weiß, dadurch entstehen auf Dauer multiresistente Keime, gegen die es irgendwann keine Waffen mehr gibt. Diese multiresistenten Keime finden sich am Ende auch im Produkt wieder, und können so im Menschen landen. Es ist von vielen Fällen bekannt, in denen sich Endkonsumenten über diverse Nahrungsmittel multiresistente Keime einfingen, und diese nur schwer wieder loszubekommen sind.

Der Konsum biologisch erzeugte Tierprodukte hat viele Vorteile, für Tier, Bauer, Umwelt, und für den Menschen. Es gibt einen großen Nachteil:

Das Problem mit Bio-Nahrungsmitteln: Der Preis

Zugegeben: Auch ich esse nicht 100 % biologisch. Ich würde es gerne, aber in der Praxis kann ich es mir zu 100 % finanziell nicht leisten. In einem Podcast neulich sagte einer der Anwesenden: „Warum nicht einfach weniger Fleisch essen, sagen wir 50 % weniger, aber dafür nur noch Bio kaufen?“

 Und ich dachte mir: „Warum eigentlich nicht? Warum nicht einfach ein kleineres Steak, dafür aus Bio Haltung?“

Es sind diese Gedankenanstöße, die die Menschen brauchen. Nicht jeder kann sich Bio leisten, und nicht zu 100 %. Wer sich leisten kann, unterstützt damit eine gute Sache und seine Gesundheit. Der Preis ist der einzige große Nachteil für die breite Masse der Bevölkerung, an dem noch gearbeitet werden muss. Doch in Zukunft muss und wird ein Produkt aus Massentierhaltung teurer werden (hoffentlich trägt die Politik dazu bei), und die biologische Landwirtschaft muss stärker subventioniert und unterstützt werden. Da die Nachfrage steigt, wird auch der Preis sinken.

Hoffentlich wird Bio-Nahrung dadurch in Zukunft auch massentauglich.

Auf Pflanzen sind wir noch nicht eingegangen, lasse sie mich kurz anreißen:

Der Vorteile biologisch erzeugter pflanzlicher Nahrung

Pflanzen haben zwar keine Gefühle und können nicht in der Art gestresst werden wie eine Kuh, dennoch ist die industrielle Landwirtschaft/Monokultur was Pflanzen betrifft, auch erwähnenswert. Die industrielle Landwirtschaft zieht Monokulturen vor, stark gespritzt, stark behandelt, maximaler Ertrag auf minimalem Raum. Das ist weder gut für die Pflanzen, noch für die Bienen, noch für das Grundwasser, noch für das Klima.

Die meisten pflanzlichen Nahrungsmittel lassen sich nicht in einer strengen Monokultur anbauen. Biodynamische Landwirtschaft ist hier das Zauberwort, der Anbau mehrerer Pflanzen auf demselben Raum oder in zeitlicher Abfolge über das Jahr hinweg, die sowohl einen guten Ertrag als auch eine Regeneration des Bodens gewährleistet.

Da mehr Naturdünger verwendet wird und nicht gespritzt wird, entspricht das fertige Produkt keiner Chemiefabrik, sondern einem natürlichen Lebensmittel. Die Bienen brauchen keine Angst mehr zu haben, die Blüten zu bestäuben und sich dadurch einen Chemiecocktail einzufangen; auch das fertige Nahrungsmittel, egal ob ein Maiskolben, eine Stange Bohnen, oder ein Apfel; auch das fertige Nahrungsmittel ist gesünder als ein vergleichbaren Produkt aus industrieller Landwirtschaft:

Warum pflanzliche Bio-Nahrung gesünder ist als aus industrieller Landwirtschaft

Auch hier gibt es hin und wieder Studien oder Untersuchungen, die in den Medien für Furore sorgen. Dann heißt es immer, dass „Bio gar nicht gesünder sei“. Aber auch hier: In diesen Studien werden immer nur einzelne Nährstoffe und

Momentaufnahmen betrachtet, nie das Lebensmittel als Ganzes. Ein Bio-Apfel hat einen vergleichbaren Vitamin C-Gehalt als ein Apfel aus konventionellem Anbau. Aber ein Bio-Apfel enthält auch ein Vielfaches mehr an Antioxidantien als ein Apfel aus konventionellem Anbau (Petkovsek et al. 2010). Und mehr Vitamin E. Unter anderem. Das kehren diese Untersuchungen oder die Medien gerne unter den Tisch.

Warum ist das so? Der Apfel aus Bio-Anbau wird nicht gespritzt und auch sonst nur wenig beim Wachstum unterstützt. Er ist der Witterung „schutzlos“ ausgesetzt, und muss ihr auf natürliche Weise und aus eigener Kraft trotzen. Also dem Wind, Regen, Hitze, gelegentlicher Dürre, Insekten. Wie schützt sich der Apfel vor diesen Herausforderungen? Durch Antioxidantien, durch bestimmte Vitamine. Genau diesen Sinn haben Antioxidantien in Pflanzen: Sie schützen die Pflanze vor Fressfeinden, machen sie resistenter gegenüber der Witterung. Deswegen enthält Bio-Obst und Bio-Gemüse mehr gesunde Antioxidantien als aus konventionellem Anbau.

Wenn wir nun diesen Apfel aus Bio-Anbau essen, profitieren wir von der Resistenz und Resilienz des Bio-Apfels, da dieser u.a. deutlich mehr Antioxidantien enthält. Wir setzen diesen Apfel ganz bewusst natürlichem Stress aus, der Apfel wird dadurch stärker und robuster, und am Ende profitieren wir als Endverbraucher davon.

Das ist genau der Punkt der erklärt, warum ein Bio-Apfel gesünder ist als ein Apfel aus konditionellem Anbau. Aus gesundheitlicher Sicht.

Biologisch erzeugte Nahrung – Die Quintessenz

Das große Problem bei biologisch erzeugten Nahrungsmitteln ist der Preis. Nicht jeder kann es sich leisten, nicht jeder will es sich leisten. Ich bin der Meinung, zumindest gelegentlich in den Bio-Markt oder auf den Bauernmarkt zu gehen zum Einkaufen, ist eine gute Sache. Besonders ein Bauernmarkt, falls einer in der näheren Umgebung ist, ist vergleichbar günstig wie ein Supermarkt, aber eben Bio möglich.

Zumindest gelegentlich Bio essen unterstützt Bio-Bauern, Tiere, Planet und Gesundheit. Wer es sich leisten kann, und zu 100% auf Bio umsteigt, macht damit nichts falsch.

Wer es sich nicht wirklich leisten kann, kann zumindest gelegentlich biologisch erzeugte tierische Produkte einkaufen, gelegentlich in den Bio-Supermarkt gehen, beim Metzger nach Bio fragen, auf den Bauernmarkt gehen. Das ist immer noch besser, als gar nicht. Wer will, kann es auch so halten wie ich: Einfach mal weniger Fleisch essen, kleinere Portionen, dafür auf Bio achten.

Bio-Nahrung ist insgesamt gesünder, weist ein anderes Nährstoff-Profil auf, ist nachhaltiger, unterstützt die richtigen Bauern, ist besser für die Umwelt, besser für die Tiere und Pflanzen, und schmeckt auch besser.

Ganz viele Vorteile, und nur ein Nachteil: Das Geld. Aber mit ein wenig Umdenken ist auch das sicher nur ein vorübergehendes Problem.

Was meinst Du dazu?

Quellen:

  • Pekovsek et al. (2010): The influence of organic/integrated production on the content of phenolic compounds in apple leaves and fruits in four different varieties over a 2-year period.
  • J Sci Food Agric. 2010 Nov;90(14):2366-78. doi: 10.1002/jsfa.4093.
  • Innes, Jacqueline K.; Calder, Philip C. (2018): Omega-6 fatty acids and inflammation. In: Prostaglandins, leukotrienes, and essential fatty acids 132, S. 41–48. DOI: 10.1016/j.plefa.2018.03.004.
  • Cordain, Loren; Eaton, S. Boyd; Sebastian, Anthony; Mann, Neil; Lindeberg, Staffan; Watkins, Bruce A. et al. (2005): Origins and evolution of the Western diet: health implications for the 21st century. In: The American Journal of Clinical Nutrition 81 (2), S. 341–354. DOI: 10.1093/ajcn.81.2.341.
  • Siegrist & Hartmann (2019): Impact of sustainability perception on consumption of organic meat and meat substitutes. Appetite. 2019 Jan 1;132:196-202. doi: 10.1016/j.appet.2018.09.016. Epub 2018 Oct 12.
  • Alsaffar (2016): Sustainable diets: The interaction between food industry, nutrition, health and the environment. Food Sci Technol Int. 2016 Mar;22(2):102-11. doi: 10.1177/1082013215572029. Epub 2015 Feb 13.
  • Tomazin et al. (2018): Animal. 2018 Oct 5:1-8. doi: 10.1017/S1751731118002409. [Epub ahead of print]
  • Meat and fat quality of Krškopolje pigs reared in conventional and organic production systems.

Eva

Ich bin seit 2008 Produkttesterin, seit 2011 mit dem eigenen Produkttestblog. In meinem Blog schreibe ich über Online-Shops, Produktneuheiten, Freizeitaktivitäten und Reiseziele für Familien und starte wöchentlich Gewinnspiele und Testaktionen für meine Leser. Ich bin alleinerziehend und wohne zusammen mit Tochter Zoe (geb. Februar 2008) und Sohn Jamie (geb. Dezember 2010) in Kirchlengern. Hauptberuflich bin ich zuständig für die Lohn- und Gehaltsabrechnung der Mitarbeiter.